Öl in der Pferdefütterung

Öl in der Pferdefütterung

Von Amelie Kokorsky

Macht eine Pferdefütterung mit Öl Sinn?

Man sollte diese Frage nicht zu schnell oder pauschal mit einem „Ja“ oder „Nein“ beantworten, denn das Thema Öl in der Pferdefütterung ist sehr komplex und sollte daher zunächst genau beleuchtet werden. Daher werfen wir zuerst einen Blick in die Anatomie des Pferdes. Im Detail einen Blick auf die Verdauung und dessen zugehörigen Verdauungsorgane. Bei der Verdauung von Öl spielt die Leber und die Gallenblase eine wichtige Rolle. Die Leber produziert Gallenflüssigkeit, welche für die Verdauung von Fetten und damit für die Verdauung von Ölen benötigt wird. Die Leber gibt die produzierte Gallenflüssigkeit über die Gallengänge in die Gallenblase ab. In der Gallenblase wird also Gallenflüssigkeit gespeichert. Gelangt nun ein fettreicher Nahrungsbrei in den Dünndarm, wird die Gallenblase entleert und die Gallenflüssigkeit wird in den Dünndarm abgegeben. Die Fettverdauung beginnt.

Bei den Pferden gibt es allerdings die Besonderheit, dass sie KEINE Gallenblase besitzen. Dies hat zur Folge, dass auch keine Gallenflüssigkeit gespeichert werden kann. Für das Pferd als Steppentier und „Dauerfresser“ ist das eigentlich auch überhaupt kein Problem. Zum Einen frisst das Pferd ständig viele kleine Portionen über den Tag verteilt, sodass große Futterportionen eher selten vorkommen. Zum Anderen sind Fette auf dem natürlichen Speiseplan von Pferden eher selten zu finden. Die Gräser und Samen, welche das Pferd regelmäßig auf Weiden und im Heu frisst, enthalten zwar Öle, aber nur in sehr geringen Mengen und durch die ständige Nahrungsaufnahme auch nur in sehr kleinen Portionen. Das Pferd braucht bei einer gesunden und artgerechten Fütterung also keine Gallenblase. Evolutionär hat sich die Gallenblase zurückentwickelt, ohne dass dadurch Probleme bei der Verdauung entstanden sind. Die Leber des Pferdes produziert Gallenflüssigkeit und diese gelangt über die Gallengänge direkt in den Dünndarm, um dort bei der Fettverdauung ihre Aufgaben erfüllen zu können. Nimmt das Pferd Nahrung auf, wird dieser Prozess gestartet und kontinuierlich werden kleine Mengen Gallenflüssigkeit in den Dünndarm abgegeben, ohne dass eine Speicherung möglich und nötig ist.

Einige Tiere können die Produktion von Gallenflüssigkeit und die Konzentration der Gallenflüssigkeit sogar an die zugeführte Nahrung anpassen. Gibt man einem Hund beispielsweise über einen längeren Zeitraum fettreiches Futter, wird der Mechanismus der Gallenflüssigkeitsproduktion und die Abgabe von Gallenflüssigkeit in den Dünndarm angepasst. Dieser Anpassungsprozess findet bei Pferden so nicht statt - auch nach jahrelanger übermäßiger Ölfütterung wird bei einem Pferd kein Anpassungsmechanismus stattfinden. Füttert man dem Pferd also zu viel fettreiches Futter, indem man große Mengen Öl dem Futter beimischt, kann es dazu kommen, dass das Öl im Dünndarm nicht richtig verdaut wird und weiter in den Dickdarm gelangt. Da der Dickdarm des Pferdes nicht für einen fettreichen Nahrungsbrei ausgelegt ist, kann es zu Verdauungsproblemen im Dickdarm kommen.

Man kann jetzt also schon festhalten, dass die Ölmenge eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Trotz der vorerst abschreckenden Wirkung von Öl in der Pferdefütterung möchte ich die zu Beginn gestellte Frage nicht mit einem „Nein“ beantworten, denn die Gabe von Öl hat auch viele positive Seiten. Die konkrete Beantwortung dieser Frage lässt also noch ein bisschen auf sich warten.


Wofür braucht das Pferd Öle?

Im Kreise der Pferdebesitzer hört man vor allem zum Winteranbruch die Worte: „ Es wird kälter und mein Pferd braucht mehr Energie um sich zu wärmen, deswegen füttere ich ihm Öl“. Aus dieser Aussage könnte man schließen, dass die Ölfütterung dem Pferd helfen kann, mehr Energie bereit zu stellen. Diese Aussage ist aber mit großer Vorsicht zu betrachten. Ein Pferd kann aus Ölen kaum Energie gewinnen. Pferde decken ihren Energiebedarf größtenteils über die Aufspaltung von Fasern im Dickdarm, also über die Aufnahme von Heu und Gräsern. Dieser Prozess der Energiegewinnung kann sogar optimiert werden, wenn das Raufutter knapp wird. Füttert man einem Pferd beispielsweise 10 kg Heu am Tag und bewegt es in geringen Maßen, wird es in der ersten Zeit nicht abnehmen, wenn man das Trainingspensum steigert. Der Organismus wird die enzymatische Aufspaltung von Fasern effektiver betreiben und dadurch mehr Energie aus der gleichen Mengen Heu bekommen. Würde die Menge an zugeführter Nahrung nicht reichen, beginnt das Pferd, seine Muskulatur in Energie „umzubauen“. Das Pferd verliert also Muskulatur und gewinnt Energie. Dieser Prozess sollte jedoch in keinem Fall provoziert werden! Wandeln Pferde Fette in Energie um, kann das für das Tier sehr gefährlich werden. Dieser Prozess findet aber eigentlich nur statt, wenn zu wenig Raufasern zur Verfügung steht und das Tier in einen starken Energiemangel gerät. Deshalb sollte dem Pferd immer genug Raufutter zur Verfügung stehen.

Primär werden Öle also nicht zur Energiegewinnung genutzt. Aber wofür dienen sie dann? Das Pferd nutzt die Öle für den Aufbau von Hormonen und neuem Gewebe sowie zum Schutz der Organe. Öl wird also primär als „Baustoff“ benutzt. Öle werden daher auch nicht in der Energiebilanz berechnet. Die meisten Öle haben einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die für die Gesundheit des Pferdes wichtig sind. Der Aufbau einer einzelnen Zelle ist sehr komplex, daher gehen wir in diesem Bericht nur auf die oberflächliche und einfach erklärte Funktion von Ölen auf die Zelle ein. Öle können die Elastizität der Blutkörperchen verbessern und damit die Fließgeschwindigkeit erhöhen. Eine gute Fließgeschwindigkeit der Blutkörperchen ist zum Beispiel für die Kondition und Leistungsfähigkeit wichtig. Eine elastische Zelle, egal, ob eine Leberzelle oder eine Nervenzelle, kann sich positiv auf das Allgemeinbefinden des Tieres auswirken. Öle enthalten Omega-6-Fettsäuren, denen eine entzündungshemmende Wirkung nachgesagt wird - ein besonders wichtiger und wertvoller Punkt der Ölfütterung. Einige Vitamine sind rein fettlöslich und daher auf die Fettsäure bei der Verdauung angewiesen. Zudem können Fettsäuren wie ein „Schutzpolster“ für Organe und Nervensysteme wirken.


Welche Öle kann man in der Pferdefütterung verwenden?

Auf dem Markt gibt es mittlerweile sehr viele verschiedene Öle, die unter anderem auch bei der Pferdefütterung eingesetzt werden. Im Folgenden werden einige Öle aufgezählt, die sich bei Reitern großer Beliebtheit erfreuen:

  • Leinöl = hoher Gehalt an Omega-3-Fettsäuren, insbesondere der Alpha-Linolsäure Zur Verbesserung von Haut und Fell und zur Unterstützung der Verdauung
  • Hanföl = gutes Verhältnis an Omega-3-, Omega-6- und Omega-9-Fettsäuren. Zudem enthält das Öl (Alpha-) Linolsäuren und Gamma- Linolsäuren, welche einen positiven Einfluss auf das Abwehrsystem des Pferdes haben können
  • Reiskeimöl = enthält Gamma Oryzanol, welches zur Unterstützung beim Muskelaufbau eingesetzt werden kann. Zudem ist es recht geschmacksneutral und wird vom Pferd im Futter toleriert
  • Mariendistelöl = enthält Silymarin, welches sich positiv auf die Regeneration von Leberzellen auswirken kann. Kann zudem die Leber in ihrer Funktionsweise stärken
  • Schwarzkümmelöl = reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Das Öl kann stimulierend auf das Immunsystem wirken

Aber auch viele Samen und Nüsse enthalten Fettsäuren und wertvolle Öle. Die Samen können genauso wie die Öle in der Pferdefütterung verwendet werden. Auch die Samen und Nüsse weisen viele positive Eigenschaften auf. Geeignet sind vor allem die beiden Klassiker:

  • Leinsamen bzw. Leingranulat = können positive Wirkungen auf Haut und Fell aufweisen. Das Leingranulat hat im Vergleich zum Leinöl einen geringen Fettanteil.
  • Hagebutten = die Kerne der Hagebutte enthalten Öle. Die Hagebutte ist ein guter Lieferant für Vitamin C und kann das Immunsystem unterstützen.

Bei welchen Krankheiten oder Symptomen können Öle die Gesundheit des Pferdes unterstützen?

Die Fütterung von Ölen kann sich bei einigen Krankheiten positiv auf die Gesundheit auswirken.

Leinöl kann sich durch seine wertvollen Inhaltsstoffe positiv auf die Haut- und Fellqualität des Pferdes auswirken und zu einer gesunden und gut funktionierenden Verdauung beitragen. Besonders beeindruckend ist auch die Wirkung von Leinöl auf den Atmungsapparat des Pferdes. Die im Öl enthaltenden Fettsäuren können die kleinsten Lungeneinheiten, die Alveolen, positiv beeinflussen. Dadurch kann die Lungenfunktion verbessert werden. Gerade Pferde mit COPD/COB können von dem Leinöl profitieren. Da gerade Lungenerkrankungen auch mit Entzündungen in Zusammenhang stehen, kann das Leinöl auch hier eine entzündungshemmende Wirkung zeigen. Pferde, die Probleme mit dem Atmungsapparat haben, sind oft extrem staubempfindlich. Die Besitzer geben sich oft größte Mühe, jede erdenkliche Möglichkeit mit Staub in Berührung zu kommen, zu verhindern. Bei der Gabe von Kraftfutter vergessen viele Besitzer den Staubanteil Kraftfutter wie zum Beispiel der Staub im Hafer. Schon die Gabe von nur wenigen Tropfen Öl kann dazu beitragen, den Staub im Kraftfutter zu binden und die „Staublast“ zu minimieren.

Bei der Polysaccaride-Speicher-Myopathie (PSSM) muss die Zufuhr von Kohlenhydraten in der Futterration der Pferde reduziert werden. Da das Pferd seinen Energiebedarf dennoch decken muss, kann eine Fütterung von Ölen Sinn machen. Der Energiebedarf kann bei reduzierter Kohlenhydratgabe von Heu und/oder Weidegras zu Teilen mit Öl gedeckt werden. Jedoch sollte eine erhöhte Gabe von Öl immer unter Beobachtung und Absprache eines Tierarztes und/oder Tierheilpraktikers erfolgen, da eine solche Fütterung von der eigentlichen Empfehlung abweicht und eine Ausnahme darstellt.

Lebererkrankungen nehmen bei den heutigen Pferden stetig zu, sodass die Leber bei ihren unzähligen Funktionen/Aufgaben unterstützt werden sollte. Man kann die Leber hervorragend mit passenden Kräutern unterstützen, aber auch die Gabe von Mariendistelöl kann sich positiv auf die Lebertätigkeit und die Regeneration der Leberzellen auswirken.

Vielen Pferden, die an Ekzemen leiden und/oder eine Immunschwäche aufweisen, kann mit der Gabe von Schwarzkümmelöl geholfen werden. Das Öl kann dazu beitragen , das Immunsystem zu stimulieren und dadurch die Immunabwehr des Körpers zu verbessern. Ein starkes Immunsystem kann natürlich auch deutlich besser gegen Ekzeme ankämpfen und die Symptome können gelindert werden. Schwarzkümmelöl wird ebenfalls eine positive Auswirkung auf den Atemapparat zugesprochen und kann daher zur Unterstützung bei Atemwegsproblemen eingesetzt werden.


Nochmal die Frage: Macht eine Pferdefütterung mit Öl Sinn?

Nun haben wir das Thema „Öl in der Pferdefütterung“ sehr detailliert beleuchtet, sodass man die Frage, ob die Gabe von Öl in der Pferdefütterung Sinn macht, besser beantworten kann. Die Antwort lautet: JA, eine Gabe von Öl in der Pferdefütterung macht Sinn.

Wie im ersten Kapitel deutlich wird, sollte man sich definitiv streng an die Fütterungsvorgaben halten! Zuviel Öl in der Pferdefütterung kann sich sonst sehr schnell negativ auf den Verdauungstrakt und damit auf die gesamte Gesundheit des Pferdes auswirken. Setzt man Öle jedoch mit Bedacht und Vorsicht ein, können die Besitzer und die Pferde von den vielen positiven Effekten der verschiedenen Öle profitieren. Egal, welches Geschlecht, welches Alter und welche Rasse, fast für jedes Pferd lässt sich ein passendes Öl finden. Obwohl wir nur eine ganz geringe Auswahl an Krankheiten genannt haben, wird deutlich, dass die Gabe von Öl sogar dazu beitragen kann, den Heilungsprozess zu unterstützen.

Also nehmt euch ein kleines bisschen Zeit und sucht euch das passende Öl für eure Pferde raus. Gekonnt eingesetzt, kann die tägliche Fütterung der Pferde aufgewertet werden. Wenige Tropfen können die Gesundheit, Kondition, Nervenstärke und das Wohlsein unserer Vierbeiner optimieren.

Falls ihr Zweifel oder Fragen bei der Auswahl oder Dosierung habt, wendet euch an euren Tierarzt und/oder Heilpraktiker bzw. Futterberater eures Vertrauens. Meistens gibt es für jedes Problem eine passende Lösung und ein passendes Öl ;)